Die Geschichte des Schirms

Als Ursprungsland des Schirmes gilt China. Um das Jahr 2000 v.Chr. soll er dort zunächst als Sonnenschutz verwandt worden sein. Von China aus wanderte er über die Nachbarländer Japan und Indien in den ganzen Orient. Nach Quellen aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. aber wurde der Sonnenschirm bereits als ein Zeichen von Macht und Ansehen in Altägypten, Babylonien, Assyrien, Indien und Persien getragen. Alabasterreliefs am Palast zu Nimrod bei Ninive (885-860 v.Chr.), Bilder aus dem alten Theben, Reliefs am rechten Pfeiler des östlichen Tores des großen Stupa von Santschi (früheres Denkmal) und Reliefs am Kambodscha-Tempel (Indien) sind Beweise dafür. Die Stellung eines Würdenträgers im Reiche der Mitte erkannte man an der Anzahl der Etagen eines Prunkschirmes. Vier Dächer über einander waren das Vorrecht des Kaisers.
Über Persien, vermutet man, ist der Schirm nach Europa, zunächst nach Griechenland gekommen. Bei Prozessionen und Umzügen schützten Schirme die Weihegeschenke an Ceres, Athene und Poseidon. Die Griechin benutzte als erste Frau den Schirm für ihren privaten Gebrauch. Von einem Sklaven ließ sich die Griechin den dreieckigen Schirm an langen Stangen nachtragen. Unzählige griechische Vasenbilder zeigen die Griechin mit Schirm. Auch der griechischen Literatur war der Gegenstand Schirm sehr vertraut .Aristophanes lässt in seinen „Rittern“ Agoracites zu Demos sagen: “Deine Ohren waren ausgespannt grad wie ein Sonnenschirm und klappten wieder zu“.
Der Grieche benutzte seinen Schirm anders als der Römer. Er brauchte Sonnen- und Regenschirme wie die Dame. Juvenalis erwähnt den Schirm: “Schick ihm den schönen grünen Schirm, sooft der feuchte Frühling naht!“ Und Martial: “Vergiss nicht, wenn du bei schönem Wetter ausgehst den Schirm für das schlechte mitzunehmen!" Die Sonnenschirme der Römer sollen nach Plinius zunächst aus Bambusstäben und Palmblättern hergestellt worden sein. Später hat man sie mit Seide bespannt und mit Gold verziert und die Tragestange mit Elfenbein und Edelsteinen geschmückt. Pollux und Ovid sprechen ebenfalls vom Sonnenschirm und der römischen Sitte, ihn sich nachtragen zu lassen. Der Römische Regenschirm muss nach Virgil aus einem Stück Leder bestanden haben.   
Die katholische Kirche übernahm nach dem Vorbild der orientalischen Herrscher den Schirm als Zeichen der Würde. Im 13. Jahrhundert wurde daraus der Baldachin. Wie der Papst nahm auch der Doge von Venedig den Schirm als Hoheitszeichen für sich in Anspruch. Noch Goethe sah ihn so auftreten (übrigens kaufte Goethe im Jahre 1800 in Karlsbad vier Schirme zum Preise von 2 Taler 14 Groschen für Christiane Vulpius).

In den asiatischen Kulturen wurde der Schirm mehr und mehr zum praktischem Bekleidungszubehör. In Europa aber geriet er mit dem Untergang Roms ziemlich in Vergessenheit. Während des Mittelalters hatte er im Abendland keine Bedeutung für den Privatgebrauch. Erst im 16. Jahrhundert tauchte der Schirm in Italien und Spanien wieder auf. Sehr groß und mehrere Personen beschützend, sogar zusammenlegbar war er schon. Man benutzte ihn auf der Jagd und bei der Reise. Am Sattelzeug des Reitpferdes war eine Tragevorrichtung angebracht, und dieser Jagd- und Reiseschirm fand in höfischen Kreisen rasche Verbreitung.
Montaigne berichtet im Tagebuch seiner Italienreise 1580, dass die Damen in Lucca immer einen Sonnenschirm bei sich tragen. Um 1620 wird der Schirm sowohl in England als auch in Frankreich erwähnt. Maria von Medice, die zweite Frau Heinrichs 4. von Frankreich, hat wohl die ersten Schirme aus ihrer Heimat mit nach Frankreich gebracht. Diese ältesten französischen Schirme des 17. Jahrhunderts hatten weder Holz- noch Rohrstangen, sondern schon Fischbeingestelle, waren aber durch ihren Wachstuchbezug schwer und unhandlich, so dass die vornehme Welt sie sich von Dienern  nachtragen ließ. Auf diese Weise blieb der Schirm noch lange Zeit hindurch eine Ausnahmeerscheinung im täglichen Leben.

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts aber sieht man auf Modebildern der Firma Bonnerd junge elegante Damen den Schirm selbst tragen. Der englische Philosoph Locke war 1675 in Frankreich und schrieb: “Schirme sind kleine, leichte Utensilien, welche die hiesigen Damen brauchen um sich vor der Sonne zu schützen und deren Benutzung sehr bequem erscheint". Im 18 Jahrhundert nehmen sich die Damen einerseits und die Industrie andererseits energisch des Schirmes an. Die Hofhaltung Ludwigs XIV. zog ganz Europa in ihren Bann, und von der Bewunderung bis zur sklavischen Nachahmung war es nur ein kleiner Schritt. Die französische Mode begann ihren Siegeszug durch Europa und die Welt (vor allem nach der Thronbesteigung der Marie Antoinette). 1720 löste der Reifrock den jahrzehntelang dominierenden Schlepprock ab und der Sonnenschirm setzte sich als kokettes Beiwerk dieser Modeneuerung durch, praktischen Wert hatte er kaum, wie der Fächer diente er der Koketterie mehr als dem Schutz gegen die Sonne.

In Paris wurde 1710 der erste Taschenschirm erfunden, der nicht wie der heutige z. B. zusammenschiebbar, sondern in der Mitte zu knicken war und dann in ein Etui gesteckt wurde. 1719 erschienen Defoes Robinson-Roman. Daraufhin nannte man in England die Schirme nur noch Robinson (Robinson hatte sich auf einer Insel einen Schirm angefertigt, den er mit Tierfellen bezog). Man unterschied jetzt auch zwischen Sonnen- und Regenschirm. Jonas Hanway war der erste Engländer, der die letzten Jahrzehnte seines Lebens nicht mehr ohne Regenschirm ausging, obwohl er oft beschimpft und sogar beworfen wurde. Ihm gebührt unumstritten der Verdienst, den Regenschirm in nördlichen Breiten populär gemacht zu haben (er starb 1786).

Im Jahre 1773 konstruierte ein gewisser Dubourg einen Blitzableiterschirm, der eine Metallspitze und eine Metallschnur mit Metallkugel als Erdleitung hatte. Seine Erfindung wurde wohl hervor gerufen durch Franklins Blitzableiter der damals in aller Munde war, fand aber verständlicher weise wenig Anklang. Um 1795 kam der Knicker heraus, ein Sonnenschirm, der im Tragestab eine Mechanik hatte, so dass man das Dach schräg stellen und so den Schirm wie einen Fächer verwenden konnte. Diese Art Schirm wurde außerordentlich beliebt und erlebte um 1860 eine große Blütezeit. Ebenfalls Ende des 1800 Jahrhunderts tauchte der Stütz- oder Stockschirm auf, den die Damen wegen ihrer hohen Absätze sehr begrüßten. Unangenehm an diesem Schirm war nur, dass man das staubige Ende in die Hand nehmen musste, sobald man den Schirm aufgespannt brauchte. Der Stockschirm erschien dann in den siebziger Jahren auch ein zweites Mal.1805 entstand in England der „Entouscas“ der für Sonne zu groß und für Regen zu klein war.

Nachdem der Schirm in Fabriken hergestellt wurde, bemühte man sich vor allem darum, sein nicht unerhebliches Gewicht (1806) 5 kg zu reduzieren. Da gab es Frankreich 1791-1843 allein 60 Patente, die dieses Ziel hatten. Auch der Bezug wurde verbessert. 1829 gründete die Firma Odiot in Paris eine Schirmseideweberei. Vom Wachstuch ging man ganz ab. Seit 1848 kam der Alpaka auf, um 1870 ein Halbseidenstoff: Gloria. Für billigere Qualitäten wählte man Baumwolle. Der häufige Wechsel der Schirmmode im ausgehenden 18. und beginnenden 19.Jahrhundert bezog sich in erster Linie auf den Sonnenschirm. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts ging dann aber das Ansehen des Sonnenschirms langsam aber stetig zurück, während der Regenschirm als besonderer Schützling der englischen Mode vor allem in der Herrenmode eine um so sichere Position bezog. Zwar war er schon seit 1761 kein ausschließliches Reservat der Damenmode mehr. Damals propagierte nämlich in Paris ein einfallsreicher Schirmmacher einen Herrenschirm, der zusammengefaltet die Form eines Hutes hatte und unauffällig unter den Arm getragen werden konnte, was der damaligen Herrenmode entgegen kam, als während des ganzen 18. Jahrhunderts der Degen zum Anzug des Herren gehörte und der Hut grundsätzlich nur unter dem Arm getragen werden durfte.

In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts aber wurde der Herrenschirm als unerlässliches modisches Attribut des eleganten Herrn in die Mode aufgenommen, und der gut angezogene Herr sollte bis heute nicht mehr auf ihn verzichten, vor allem nicht in England. Das ihm von seinen Heimatland mitgegebene puritanische Schwarz hat er beibehalten, auch seine Form veränderte sich im Laufe der Zeit geringfügig, so dass er schlechthin zum Symbol des Soliden und Konservativen geworden ist (heute allerdings strebt man danach auch die Herrenschirme heller und modischer zu machen).

Nachdem ersten Weltkrieg war der Sonnenschirm verschwunden. Die Mode schrieb den Damen sonnengebräunte Haut vor, und nach und nach wurde auch der Regenschirm immer mehr verdrängt von Ölhautkapes, Kleppermänteln und Kaputzen und zum profanen Gebrauchsgegenstand für ältere Damen deklariert. Nach dem zweiten Weltkrieg aber feierte auch der Schirm sein modisches Comeback. Neben dem praktischen Taschenschirm, der seit 1927 in Deutschland hergestellt wurde und seitdem als Schirm für alle Fälle sich der Frau unentbehrlich gemacht hat, ist der Modeschirm auferstanden. Er war mit Kunstseide, Seide oder Nylon bespannt und mit Leder, Holz oder Kunststoffgriffen ausgerüstet.